Gesundheit und Wohlbefinden als Erfolgsfaktor: Wie sich soziale Kriterien messen lassen - Wellbeing
Autorin: Dr. Lena Reiß, Head of Health and Wellbeing bei der Drees & Sommer SE
Wie können Unternehmen, Eigentümer und Mieterinnen die sozialen Kriterien für ihre Immobilien, Prozesse und Organisationen stärken? Wie wird das Office wieder attraktiver? Ein Health and Wellbeing Scoring misst das Level einer Immobilie bezogen auf Gesundheit und Wohlbefinden und zeigt auf, wie das Verhältnis von Mensch und Gebäude nachweislich verbessert werden kann – für starke soziale Kriterien in Anlehnung an ESG.
Unsere Umgebung hat einen erheblichen Einfluss auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Da sich viele Menschen den Großteil des Tages in Gebäuden aufhalten, spielt die Qualität von Immobilien in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle – und gewinnt im Rahmen der EU-Taxonomie sowie für ESG-Kriterien zunehmend an Relevanz. Investoren investieren vermehrt in solche Immobilien, die sowohl E (Environment) als auch S (Social) und G (Governance) berücksichtigen.
Soziale Kriterien messen und steigern
Ein Health and Wellbeing Scoring misst das Level einer Immobilie bezogen auf die Gesundheit und das allgemeine Wohlbefinden der Nutzerinnen und Nutzer. Gesundheit umfasst in diesem Verständnis die mentale, physische und soziale Gesundheit. Durch das Scoring erhalten sowohl Eigentümerinnen als auch Mieter von Immobilien Handlungsempfehlungen, wie das Verhältnis von Mensch und Gebäude nachweislich verbessert werden kann. Damit wirken sich entsprechende Maßnahmen positiv auf die sozialen Kriterien einer Immobilie aus.
Das Scoring beinhaltet 16 Kategorien mit insgesamt 70 Parametern, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Darin enthalten sind Basis-Parameter wie Licht, Luft, Akustik und Materialität. Eine gute Belüftung und natürliche, schadstofffreie Materialien wirken sich beispielsweise positiv auf die Luftqualität aus. Darüber hinaus werden komplexe Aspekte wie Bewegung im Raum, Mobilität oder Sicherheitsgefühl betrachtet.
Im zweiten Schritt findet ein Abgleich der objektiven Bewertung des Objekts nach den genannten standardisierten Kriterien mit einer subjektiven Evaluation der Nutzerinnen und Nutzer statt. In den Untersuchungen zeigt sich häufig ein großer Unterschied zwischen der objektiven Bewertung einer Immobilie und dem subjektiven Nutzerempfinden. Daraus resultieren Handlungsempfehlungen, um die bewerteten Komponenten auf ein möglichst hohes Niveau und möglichst nah zusammen zu bringen. Thematisch bewegt sich das Health and Wellbeing Scoring in der angewandten Forschung, genauer gesagt in der Architekturpsychologie und Sozialforschung.
Inspirierende Umgebung fördert geistige Flexibilität
Für den Workspaces-Anbieter Design Offices hat Drees & Sommer eine Wirkungsanalyse in den Design Offices am Standort Macherei München durchgeführt. Die Wirkungsanalyse kombiniert verschiedene Methoden, wie das Shadowing, bei dem die Expertinnen und Experten teilweise inkognito, wie ein Schatten, das Verhalten der Büronutzerinnen und -nutzer in Bezug zueinander und zu ihrer Umgebung sowie Stresssignale beobachteten. Für eine Netzwerkanalyse war außerdem das Bewegungsverhalten von Interesse, das heißt, Informationen zur Vernetzung der Nutzer, zur Verweildauer an bestimmten Plätzen und zu Wegebeziehungen auf der Fläche. Als weitere Methoden kamen eine empirische Erhebung, qualitative Interviews mit den Nutzern und das Health and Wellbeing Scoring zum Einsatz. Der Health and Wellbeing Score zeigt letztlich auf, in welchen Kategorien die untersuchten Räumlichkeiten besonders gut abschneiden – auch im Benchmark – und wo Optimierungspotenziale bestehen.
Eine der wichtigsten Erkenntnisse lautet, dass ein vielfältiges Raumangebot zu einem regelmäßigen Ortswechsel anregt. Dabei kommt es zu Begegnungen und Austausch mit anderen Menschen. Dieser Austausch in einer inspirierenden Umgebung fördert die geistige Flexibilität und wirkt sich positiv auf die Kreativität aus. Damit steigert räumliche Freiheit auch die Innovationskraft. Abstrahiert lässt sich sagen: Menschen, die ihren Aufenthaltsort über einen Arbeitstag häufig wechseln und oft zufällige Gespräche führen, sind kreativer und veränderungsbereiter als jene, die das nicht tun.
Umbau und Sanierung als Chance für Unternehmen
Viele Unternehmen stehen derzeit vor der Herausforderung, ihre Räumlichkeiten an die veränderte Arbeitswelt und das Neue Arbeiten anzupassen – New Work ist in aller Munde. Während das Büro durch Homeoffice und mobiles Arbeiten sein Monopol als erste Arbeitsstätte verloren hat, ist es gleichzeitig wichtiger denn je: Alles, was remote nicht umsetzbar ist, muss das Büro ermöglichen – von A wie Afterwork bis Z wie Zufallsbegegnungen. Das zeigen auch die Ergebnisse des Workspace Benchmark Report 2022 von Drees & Sommer, eine Umfrage unter 230 IT-, Real-Estate- und HR-Verantwortlichen aus rund 20 verschiedenen Branchen. Demnach kommen Mitarbeitende vor allem für Teamarbeit, informellen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, Telefonate und Kurzabstimmungen ins Büro. Die Sorge vieler Unternehmen, dass die Einführung von Homeoffice und mobilem Arbeiten für leere Büros sorgen werde, ist den Umfrageergebnissen zufolge unbegründet: Rund zwei Drittel der Befragten wünschen sich mobiles Arbeiten an zwei, maximal drei Tagen pro Woche (34 bzw. 32 Prozent).
An die neuen Anforderungen müssen sich Büros nun anpassen, zum Beispiel mit Kreativ- und Projekträumen, Kommunikationsflächen und Aufenthaltsangeboten. Das bietet für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber die Chance, neben der Funktionalität der Räumlichkeiten auch die Themen Gesundheit und Wohlbefinden mitzudenken. Denn: Wo sich Menschen wohlfühlen, halten sie sich gerne auf. Bietet das Büro den Mitarbeitenden eine inspirierende Arbeitsumgebung, kommen sie auch gerne dorthin. Und nur dort, wo sich Mitarbeitende wohlfühlen und sowohl kreativ als auch produktiv arbeiten können, bleiben sie auch langfristig. Somit ist Health and Wellbeing auch im Wettbewerb um Talente ein Faktor, der nicht unterschätzt werden sollte. Die mentale und soziale Gesundheit hat Auswirkungen darauf, wie stark sich Mitarbeitende einem Unternehmen zugehörig fühlen.
Gesundheit und Wohlbefinden in Zahlen übersetzt
Das Health and Wellbeing Scoring macht weiche Faktoren wie Gesundheit, Wohlbefinden, Markenbindung und Kultur messbar und setzt sie in Relation zu Wirtschaftlichkeit. Im Kontext des Beispiels Büro lässt sich beispielsweise die Produktivität der Mitarbeitenden erfassen und aufzeigen, welche ökonomischen Auswirkungen eine Steigerung des Wohlbefindens haben kann. Für Immobilieneigentümerinnen und -eigentümer kann sich ein hoher und nachgewiesener Health and Wellbeing Score positiv auf den Wert der Immobilie oder den erzielbaren Mietzins auswirken und gleichzeitig ein Alleinstellungsmerkmal sein.