Von Ing. Richard Liehmann, Geschäftsführer inpera GmbH
Die akuten globalen Themen fordern derzeit viel Aufmerksamkeit. Dennoch oder gerade deswegen steht bei vielen die Zukunft der Bauwirtschaft auf der Agenda. Warum? Weil wir zu wenig in zu langer Zeit bauen und dabei Ressourcen verschwenden wie keine andere Branche. Ein Blick auf die Fakten belegt das: Global ist die Bauwirtschaft für über 25 Prozent der Emissionen verantwortlich und produziert jährlich ca. 40 Prozent des gesamten Mülls. Es sind Fakten, die mancher aus der Branche lieber nicht hören möchte. Aber wenn sie keiner hören möchte, wer beantwortet dann die Fragen der Zukunft? Die Frage lautet doch: Was muss getan werden, um den künftigen Generationen ein Leben in einer intakten Umwelt zu ermöglichen.
Genau das ist das Stichwort für ein Umdenken. Wir müssen erkennen, dass ein Wegschieben der Verantwortung keine Probleme beseitigt. Im Gegenteil! Deshalb muss aus einem Reagieren in der Bauwirtschaft ein agiles Steuern werden.
Zusammen anstatt alleine
Genau für diese Problematik gibt es aber bereits eine Idee. Die einfache Lösung: Man muss übergreifend zusammenarbeiten. Genau dafür wurde der BIM-Prozess entwickelt und mittlerweile auch standardisiert.
In der täglichen Praxis herrscht jedoch ein grobes Missverständnis. Denn BIM bedeutet nicht, ausschließlich in 3D und mit angehängten Daten und Visualisierungen zu planen. Nein! BIM bedeutet, sämtliche Daten allen nachfolgenden Schritten zur Verfügung zu stellen und die Möglichkeit einzuräumen, diese auch zu verändern und zu korrigieren. Nur so entsteht die Möglichkeit, Fehler gesamtheitlich zu erkennen, darauf zu reagieren und Auswirkungen zu reduzieren beziehungsweise zu vermeiden.
Viele Branchen kennen diese Art der Zusammenarbeit unter den Schlagwörtern “leanes” oder “agiles Management”. Ziel all dieser Ideen und Vorgehensweisen ist die Vermeidung von wiederkehrenden Fehlern, um ein optimales Ergebnis am Ende eines Projekts herbeizuführen.
BIM ist dafür wie geschaffen. Denn es bedeutet, allen Projektpartnern sinnbildlich unter die Arme zu greifen und das Beste aus jeder Arbeit herauszuholen. Es geht darum, die verschiedenen Leistungsphasen übergreifend mit den verantwortlichen Gewerken zu verknüpfen und den eigenen Stolz sowie Hoheitsdenken im Sinne des angestrebten Ergebnisses zurückzustellen. Noch ist der Anteil an wirklich übergreifendem Arbeiten verschwindend gering. Bauunternehmen, die mit BIM arbeiten und dabei Lieferanten und Nachunternehmer mit einbinden, sind eher die Ausnahme. Woher kommt das ? Wir haben in der Vergangenheit gelernt, dass die Festlegung von Verantwortlichkeiten und die Delegierung von Aufgaben gut funktioniert. Bei überschaubaren Projekten und langjährig geschulten Mitarbeitern ist das auch richtig.
Aber aktuelle Projekte sind größer, komplexer und müssen immer mehr Fehlerquellen eliminieren. Die erste Reaktion darauf war eine strenge Reglementierung der Arbeiten und Gewerke. Vorschriften mahnten zur Einhaltung und Strafen halfen dabei, die Ordnung zu wahren. Jedoch ist eine auf Strafen basierte Ordnung immer nur Nachläufer. Schäden werden nicht vermieden, sondern kostspielig beseitigt. Ist genug Kapital in einem Markt vorhanden, kann der wirtschaftliche Schaden aufgefangen werden und spielt somit eine untergeordnete Rolle. Aber der zeitliche wie auch der umweltbezogene Schaden ist dann bereits entstanden und kann nicht rückgängig gemacht werden.
Hinzu kommt, durch immer komplexere Projekte mit immer mehr Projektpartnern, die möglichst kostengünstig arbeiten müssen, sinkt auch die Qualität in der Ausführung. Zudem hat die Branche keine Zeit, Fachkräfte attraktiv und smart auszubilden. Es fehlt an allen Ecken und Enden.
Es ist jetzt an der Zeit, es besser zu machen. Nur die gemeinsame Zusammenarbeit und das damit einhergehende Verständnis für die Verantwortung eines jeden Einzelnen garantiert wieder Qualität unabhängig von der Komplexität des Vorhabens. Es braucht die Einsicht, dass alle Beteiligten wieder die Chance bekommen müssen, Fehler erkennen und korrigieren zu können. Der Wandel, der so dringend notwendig ist, ist also kein technologischer Wandel wie so oft in der breiten Öffentlichkeit vertreten. Nein, der Wandel ist ein Haltungswandel, bei dem erkannt werden muss, dass gemeinsam deutlich mehr erreicht werden kann als alleine.
Digitalisierung ist kein Selbstzweck
Wie kann man aber bei großen Projekten und der schieren Flut an Teilnehmern in einem großen Projekt überhaupt ordentlich miteinander kommunizieren und zusammenarbeiten? Hier kommt die Digitalisierung ins Spiel - als Unterstützer und Möglichmacher. Früher war es mit der Informationstechnologie wie mit dem Wissen im Mittelalter. Es war bislang wenigen Eingeweihten möglich, Zusammenhänge zu verstehen und Änderungen voranzutreiben. Aber auch diese Branche hat sich gewandelt. Heute stehen nicht mehr nur Daten im Mittelpunkt, sondern anwenderzentrierte Ansätze gewinnen an Bedeutung. Ein einfaches Beispiel: Lösungen in der Cloud sind immer auf dem neuesten Stand und können oftmals intuitiv bedient werden. Da braucht es keine aufwändige IT-Abteilung im Unternehmen mehr.
Betrachten wir den Informationsfluss in den einzelnen Bauphasen erkennen wir rasch, dass vieles aus der Planung während der Beschaffung und Umsetzung verloren geht. Ohne digitale Daten ist es zu aufwändig, alle Details zu einem Bauteil, einer Leistung oder Planung an alle Beteiligten zu verteilen, geschweige denn auf dem aktuellen Stand zu halten. Die Konsequenz daraus: Häufig wird nur das Notwendigste kommuniziert und der Rest soll aus dem Fachwissen des Projektpartners resultieren. Wechseln nun aber diese Personen in rascher Folge oder sind sie überlastet, entstehen Fehler, die nicht oder zu spät bemerkt werden.
Auch war es früher schwer, alle Details ohne eigenen Nachteil zu kommunizieren. Stellen Sie sich vor, Sie müssten ein auf Papier erhaltenes Materialangebot mit allen im Projekt teilen. Abgesehen von dem Aufwand, dieses einzuscannen und dann per Mail zu verteilen, wüssten alle sofort über den Preis und ihre Gewinnmarge Bescheid. Ihnen blieb nur übrig, die entsprechenden Stellen zu schwärzen, herauszuschneiden oder durchzustreichen. Sehen wir uns aber die digitalen Daten an, so sieht der Vorgang hier völlig anders aus. Es können technische Informationen bereits von Beginn an bereitgestellt und von kommerziellen Daten getrennt werden. Anwender von digitalen Lösungen können nur das teilen, was auch wirklich für die Zusammenarbeit notwendig ist. Hierbei werden sie durch Filter und Suchmethoden unterstützt und teilweise geschieht die Verteilung völlig automatisch, basierend auf einfachen Regeln, die ein System über die Nutzung selbst lernt. Und das 24/7 und ohne Fehler, für alle verfügbar und mit zahlreichen Optionen versehen. Genau diesen Weg verfolgen wir bei inpera. Wir filtern unter anderem Daten aus dem normalen Prozess heraus, anstatt diese mühsam nachträglich zu erfassen.
Projektentwickler und Generalunternehmer können bei inpera Daten für Ausschreibungen aus dem digitalen Prozess der Planung übernehmen und über die Plattform allen nachfolgenden Akteuren und Unternehmen zur Verfügung stellen. Die einzelnen Gewerke und Lieferanten ergänzen diese Daten mit ihren digitalen Angeboten und so entsteht ein verknüpftes Datenmodell, welches Leistungen und Material miteinander verbindet. Super einfach!
Dieses im Ausschreibungsprozess wachsende Modell ist dabei für jeden immer auf dem aktuellen Stand. Bei Abweichungen von der gewünschten Planungsvorgabe kann rasch reagiert und steuernd eingegriffen werden. Durch die Verknüpfung mit Artikeldaten von Händlern und Herstellern stehen so nicht nur einfache Bezeichnungen zur Verfügung, sondern auch Kennwerte und Zertifikate von Materialien. Um das Ganze auch für analoge Ausschreibungen verfügbar zu machen, lesen wir PDF automatisiert ein und wandeln diese in ein digitales Modell um.
ESG ist gekommen um zu bleiben
Aufgrund des verknüpften Datenmodells ist es theoretisch möglich, jederzeit ein vollständiges Abbild der Lieferkette mit allen Materialdaten auszugeben und entsprechende Reports und Nachweise zu generieren. Die oft gefürchtete Flut der zu erstellenden Dokumentation ist somit auf Knopfdruck durchführbar. Sie verliert ihren Schrecken. Kommende Gesetzesvorgaben - die über die nächsten Jahre immer enger gezogen werden - können einfach und ohne großen Aufwand erfüllt werden.
Auf der Ebene der Projektentwickler hilft man sich mit Material-Katastern und anderen Datenbanken. Jedoch ist eine Befüllung dieser Datenbanken mit einem digitalen Zwilling “as built", also mit Echt- anstatt Planungsdaten, extrem aufwändig und wird derzeit lediglich bei Leuchtturmprojekten umgesetzt. Je mehr Projekte damit umgesetzt werden müssen, umso mehr werden Subunternehmen und Zulieferer in die Pflicht genommen und der Aufwand an der gesamten Kette entlang gereicht.
Hier wirkt der Ansatz von inpera entgegen. Wir liefern diese Daten ohne Mehraufwand aus dem normalen Prozess heraus. So lassen sich Lieferketten in der Zukunft erfolgreich managen und selbst das Lieferketten-Gesetz ist kein Thema mehr. Deutschland wacht gerade auf. Erste Erfolge sind durch den Einsatz transparenter Lösungen und Plattformen sichtbar. Unternehmen wie der Baustoffhändler Köbig aus Mainz stellen über die Plattform ihren Kunden vielfältige Informationen zur Verfügung und wickeln Anfragen und Angebote digital ab. Damit ist der Händler jederzeit im Bild, was gerade in der Vertriebsabteilung und Kalkulation angeboten wird. Auch seine Kunden können die Daten in ihren Systemen digital weiterverarbeiten. Effizienzgewinne von 50 bis 80 Prozent sind hier keine Seltenheit bei der Verarbeitung von Ausschreibungen und Angeboten. Die Lösung hat immenses Potenzial, die Zusammenarbeit in der Beschaffung der Bauwirtschaft und den nachfolgenden Phasen zu optimieren und auf ein völlig neues Niveau zu heben. Dies wurde mit der bereits wiederholten Auszeichnung vom Zentralen Immobilien Ausschuss Deutschland als ZIA Innovation 2021 und 2022 prämiert und anerkannt.
Und die Reise geht weiter: Immer mehr Projektentwickler, Generalunternehmer, Händler und Hersteller fragen nach dem transparenten Ansatz und wie sich die Qualität der Zusammenarbeit verbessern lässt. Etablierte Softwareanbieter wie Allgeier integrieren Schnittstellen, um hier unsere Plattform in der Zukunft bedienen zu können und so für ihre Kunden Mehrwerte schaffen.
Jetzt fit machen für die Zukunft
Die Erfolge bei den Pionieren der Beschaffung zeigen deutlich, wohin der Weg geht. Sie fördern eine echte Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen und brechen alte Denk- und Handlungsmuster auf. Damit diese Erfolgsgeschichte weiter geschrieben werden kann, ist es entscheidend, eine breite Akzeptanz der Branche zu erzielen und somit allen die digitalen Daten zur Verfügung zu stellen.
Durch die umfangreiche Bereitstellung von digitalen Daten aus der Beschaffung werden dann neue Dienste möglich. Viele davon sind heute noch schwer vorstellbar. So können beispielsweise bald Vorhersagen zu Lieferketten getroffen und Probleme aufgrund von minimalen Symptomen frühzeitig erkannt werden. Ebenso zeigt sich am Beispiel von inpera wie zeitschonend Daten erfasst und anderen Systemen, wie beispielsweise Materialdatenbanken bereitgestellt werden können. Etwas, das diejenigen, die mit Kreislaufwirtschaft zu tun haben, sehr freuen wird.
Es empfiehlt sich daher, für die Zukunft früh mit der Bereitstellung von digitalen Daten zu beginnen, am besten durch die fortführende Nutzung von Planungsdaten und Leistungsverzeichnissen in nachfolgenden Prozessen. Die Digitalisierung der Beschaffung trägt so zu einem gesamtheitlichen Vorgehen bei und unterstützt Themen wie BIM nachhaltig. Und durch ein verbessertes Lieferkettenmanagement schonen wir Ressourcen, stellen uns langfristig nachhaltig auf und legen den Grundstein für den weiteren Geschäftserfolg in herausfordernden Zeiten.
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