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Das unterschätze Risiko der Governance-Transformation

Aktualisiert: 11. Juni 2023

Anleger stehen vor neuen und komplizierten Herausforderungen im Zusammenhang mit ESG-Themen. Dazu gehören die Markterwartungen an Transparenz und Glaubwürdigkeit, die Überprüfung von Green-/Social-Washing durch Stakeholder, die Weiterentwicklung von ESG-bezogenen Offenlegungsvorschriften und die Nachfrage nach ESG-konformen und wirkungsorientierten Produkten.


Governance-Transformation.


Unabhängig davon, ob die Nachhaltigkeit zum Kern der Anlagestrategie gehört oder ESG einfach als ein Faktor unter vielen betrachtet wird können Anleger nicht effektiv auf diese neuen Herausforderungen reagieren, wenn sie sich nicht mit den Auswirkungen beschäftigen, die diese Transformation im Denken und Handeln mit sich bringt.

Der Begriff ESG wird häufig im Zusammenhang mit Risiken und finanzieller Wesentlichkeit verwendet, aber die Verbindung zu verantwortungsbewusstem Handeln im Sinne der gesetzlichen Mindestvorgaben oder darüberhinausgehender Selbstverpflichtungen stellt Unternehmen, ihre Gremien, Strukturen und Prozesse sowie die Elemente und Mechanismen der Corporate Governance vor Herausforderungen bei der Implementierung und Anwendung.


Wir erleben derzeit einen Paradigmen-Shift in der Erwartungshaltung, was alles getan werden muss, um den Anforderungen zu genügen. Investoren, Eigentümer, Service-Partner, Stakeholder, Shareholder, Ratingagenturen, Banken und Berater, aber auch Startups sehen sich damit konfrontiert, dass sie sehr transparent darlegen müssen, nach welchen Prinzipien sie handeln und entscheiden. Analysen über die Bewertung der Transparenz und Integrität von Unternehmen nehmen zu. Ratingagenturen schauen sehr genau hin, wenn es darum geht „Good Governance“ zu beurteilen und Stakeholder legen den Finger in die Wunde, wenn hinter den „Pledges“ Leere herrscht.


Beispielhaft sei hier erwähnt, dass die Integrität bei der Bewertung der Emissions- und Netto-Null-Ziele unter besonderer Beobachtung steht, und jedes Unternehmen sehr genau prüfen sollte, ob die definierten und vermarkteten Ziele auch gemanagt, gemessen und reportet werden können. Eine wachsende Zahl von Interessengruppen nimmt sich der wachsenden Zahl von veröffentlichten Klimastrategien an und legt den Finger in die Wunde. Die rasante Beschleunigung der Klimazusagen von Unternehmen, kombiniert mit der Fragmentierung der Ansätze, bedeutet, dass es schwieriger denn je ist, zwischen echter Klimaführerschaft und Greenwashing zu unterscheiden. Mehrdeutige Verpflichtungen, Ausschlüsse von Emissionsbereichen, Kompensationspläne, unzureichende Maßnahmenbeschreibungen und Kapitalzuweisungen sind nur einige wenige Elemente, die am Ende dazu führen, dass die Erreichung eines anspruchsvollen Netto-Null-Ziels bis 2030 nicht glaubhaft ist.


Zweifel an der Glaubwürdigkeit führen dann dazu, die Governance-Struktur der Unternehmen zu hinterfragen. Dabei geht es um die Elemente, die die „Good Governance“ eines Unternehmens bestimmen. Das beginnt mit der Komposition der Gremien. In Bezug auf Klimafragen oder Nachhaltigkeit allgemein stellt sich dann schon im Aufsichtsrat die Frage, wer die notwendige Kompetenz und Unabhängigkeit für die Ausübung der Überwachungsrolle mitbringt, und wie die Auswahl und Komposition einschließlich Diversität erfolgte. In Bezug auf die Managementfunktionen, Strukturen und Prozesse schließt sich im gleichen Kontext an, wie Nachhaltigkeit die Geschäftstätigkeit und Vergütung bestimmt. Dazu zählt auch, welche Regeln und Ziele schriftlich fixiert sind und die Entscheidungsfindung, das Monitoring und das Reporting beeinflussen. In der Real Estate-Welt beginnt das bei der Planung und reicht vom Einkauf, über den Bau bis hin zum Betrieb und letztlich auch in die Instandhaltung bis hin zum Abbruch. Für bestehende Immobilienportfolien geht die Fragestellung noch weiter, denn hier gilt es Regeln zu bestimmen, die die Transformation des Bestands sowohl inhaltlich als auch zeitlich und ökonomisch einordnen. Darüber hinaus werden auch im Risikomanagement und mit Blick auf Compliance-Anpassungen im Kontext der Nachhaltigkeit erwartet. Und das sind nur einige wenige Mindestanforderungen, die neben den ökonomischen Herausforderungen zu bewältigen sind. Wer darüber hinaus Ziele und Versprechen definiert, die Innovationen fördern, die Kunden und Mitarbeitende einbeziehen und zusätzliche gesellschaftliche Wirkung entfalten wollen, braucht ein gutes Framework um die Ernsthaftigkeit der Versprechen zu beweisen.


Und der Beweis wird fällig, denn unter den neuen Rahmenbedingungen der EU Taxonomie und den damit im Zusammenhang stehenden Reportingpflichten wird auch die Prüfung der so genannten „Non-Financial-Data“ zum Standard. Je nach Größe und Art des Unternehmens sind zwar Stufen der Einführung vereinbart, und auch die Art der Prüfung variiert je nach gefordertem Prüfungsvermerk. Während zum Beginn noch eine „Limited Assurance“ ausreicht, wird die „Reasonable Assurance“ zukünftig zum Maßstab, um neben den Finanzzahlen auch die „Versprechen“ in Bezug auf die nicht finanziellen Daten zu prüfen. Es ist schon heute absehbar, dass Investoren, Banken und Aufsichtsbehörden eine unabhängige Prüfung dieser Daten sehr begrüßen.


Damit einher geht ein großer Bedarf an technologischer Unterstützung, um diese neue Masse an Daten zu sammeln, zu evaluieren und zu reporten. Doch es sind nicht nur Zahlen, sondern auch qualitative Analysen, die in die Bewertung eingehen. Bereits heute nutzen die so genannten „Second Opinion Provider“ entsprechende Recherchen, und Ratingagenturen bewerten die Risiken der Govenance-Strukturen. Doch wir stehen erst am Beginn dieses Paradigmen-Shifts, und es wird für die Unternehmen wichtig, sich darauf vorzubereiten und Nachhaltigkeit in die Corporate Governance zu integrieren. Wer es nicht in Angriff nimmt, wird die Risiken der Transformation spüren und sich selbst die Geschäftsgrundlage entziehen.

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