top of page

Energetische Sanierung – so einfach wie ein Netflix-Abo?

Von Dr. Jörg Überla, Mitgründer und CEO, 42watt


Wer als Hauseigentümer:in dieser Tage die Zeitung aufschlägt oder die News auf Nachrichtenseiten oder in den sozialen Medien verfolgt, kann es wirklich mit der Angst zu tun bekommen. Vom „Heiz-Hammer” ist da oft die Rede, von „Dämmwahn”, „Heizungszwang” oder „Heizungsideologie”.

Auch im politischen Ringen um die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) der Bundesregierung kursieren Schreckensszenarien, die nachweislich nicht der Realität entsprechen: zum Beispiel Kosten von mehreren hunderttausend Euro für die Sanierung eines einfachen Einfamilienhauses, um die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen.


Generell wird die Diskussion extrem emotional geführt. Hinzu kommt die neue EU-Gebäuderichtlinie, die derzeit zwischen dem EU-Parlament und den Mitgliedsstaaten verhandelt wird und möglicherweise weitere Sanierungsauflagen mit sich bringt.


Unübersichtliche Vielzahl von Fördermöglichkeiten


Auch die Fördersituation ist – zumindest für Laien – nicht trivial: Je nach Sanierungsvorhaben kommen verschiedene bundesweite Förderprogramme zum Tragen. Auch auf lokaler Ebene gibt es viele Möglichkeiten, an öffentliche Mittel zu kommen – zum Beispiel das Förderprogramm Klimaneutrale Gebäude (FKG) für Immobilien der Stadt München. Man muss schon Expert:in sein, um bei dieser Fülle an Optionen einen kühlen Kopf zu bewahren. Kein Wunder, dass viele Hauseigentümer:innen verunsichert sind: Soll ich jetzt eine Wärmepumpe kaufen? Erst das Dach dämmen? Oder doch lieber noch schnell eine Ölheizung einbauen? So richtig durchblicken tun die wenigsten.

Bei all dem öffentlichen Lärm geht der Sinn und Zweck des Ganzen immer wieder unter. Spätestens 2045, so steht es im bereits geltenden Klimaschutzgesetz, soll Deutschland klimaneutral sein, um die Erderwärmung zumindest zu verlangsamen und das Erreichen kritischer Kipppunkte zu verhindern – eine Jahrhundertaufgabe.

Dem Immobiliensektor kommt dabei eine Schlüsselrolle zu: Gebäude tragen rund 30 Prozent zu den jährlichen CO2-Emissionen bei. Damit sind Deutschlands Gebäude ein wichtiger Hebel, um die Klimaziele zu erreichen. Denn die sind schon rein rechnerisch nicht erreichbar, wenn wir bei der Wärmewende zu zaghaft vorgehen – da beißt die Maus keinen Faden ab.


Gefühl der Überforderung: größtes Hemmnis für energetische Sanierung

Was wir jetzt vor allem brauchen, ist eine ruhige, aber entschlossene Hand. Denn aus Gesprächen mit zahlreichen Hauseigentümer:innen wissen wir: Woran energetische Sanierungen in erster Linie scheitern, ist schlichte Überforderung.

Wenn wie derzeit angesichts widersprüchlicher Informationen unklar ist, was bei einer energetischen Sanierung konkret auf mich zukommt, wenn die Fördersituation undurchsichtig und das Projekt selbst in der Umsetzung kaum machbar erscheint und dann noch Schlagworte wie Handwerkermangel die Runde machen – dann ziehe ich mich als Hauseigentümer:in wahrscheinlich erst einmal zurück und unternehme: nichts. Selbst dann, wenn die Politik wie derzeit durchaus glaubwürdig versichert, soziale Härten durch die Anforderungen des GEG entsprechend abzufedern.


Und so pendelt die Sanierungsrate in Deutschland seit Jahren um 1 Prozent. Rechnerisch bräuchten wir hier mindestens eine Verdoppelung.


Pragmatismus ist das Motto der Stunde


Klare, übersichtliche Informationen auf der Basis von Fakten, eine Rationalisierung der Debatte und letztlich eine ganz konkrete Unterstützung der vielen Millionen Hauseigentümer:innen sind also das Gebot der Stunde. Nicht jedes Gebäude ist gleich, aber einige grundlegende Gesetzmäßigkeiten erlauben es, mit wenigen Informationen und Daten relativ schnell eine erste grobe Abschätzung der Sanierungskosten und vor allem der Energieeinsparung vorzunehmen. Nachfolgend einige Beispiele:

  • Bei einem typischen Einfamilienhaus aus den 1980er Jahren lassen sich die laufenden Energiekosten durch eine intelligente energetische Sanierung mindestens halbieren (auf 20 Jahre gerechnet).

  • Schon kleinere Maßnahmen können den Verbrauch und die Effizienzklasse einer Immobilie deutlich verbessern, z.B. hydraulischer Abgleich, Heizkörpertausch, Kellerdeckendämmung von unten und vieles mehr. Längst nicht alles, was prinzipiell machbar ist, ist auch notwendig oder wirtschaftlich. Meist ist es am sinnvollsten, nur die notwendigen Maßnahmen an der Gebäudehülle durchzuführen und einen starken Fokus auf die Elektrifizierung zu legen.

  • Auch eine größere energetische Sanierung ist in der Regel längst nicht so teuer, wie manche glauben (machen). Für das Haus aus dem Beispiel liegen die Kosten nach Abzug der Förderung bei 46.000 Euro - ein Bruchteil der dreistelligen Beträge, die teilweise kursieren.

  • Hinzu kommt, dass den Kosten von 46.000 Euro für die Sanierung (inkl. PV-Anlage, Wärmepumpe und Elektroauto) hohe Einsparungen bei den Energiekosten gegenüberstehen – im gewählten Beispiel liegen sie bei 105.000 Euro. Die Sanierung rechnet sich also mittel- bis langfristig nicht nur für das Klima, sondern auch für den Geldbeutel.

  • Und auch die Wärmepumpe, deren Wirtschaftlichkeit in der politischen Diskussion zum Teil mit widerlegbaren Argumenten angezweifelt wird, ist viel besser als ihr Ruf. Bei einer sauberen Energiekostenrechnung spart man in der Regel schon ab dem ersten Monat.

Chancen der Digitalisierung nutzen – zur Erreichung der Klimaziele im Gebäudesektor


All diese allgemeinen Aussagen bedeuten noch lange nicht, dass die energetische Sanierung einer Immobilie selbst ein triviales Unterfangen ist – oder so einfach wie ein Netflix-Abo. Das ist auch nicht zu erwarten. Klimaneutrales Wohnen gestaltet sich doch etwas komplexer, als abends die nächste Serie zur Unterhaltung zu finden.


Gleichzeitig hat die Digitalisierung in den letzten 20 Jahren vieles vereinfacht, was früher kompliziert erschien – von der Wohnungssuche (Immobilienscout) bis zum Musikhören (Spotify) –, wie ich als General Partner bei Wellington Partners hautnah miterleben konnte.

Diesen Gründergeist wünsche ich mir auch für die Energie- und Immobilienwirtschaft: Hinter den Kulissen arbeiten unzählige Handwerker:innen, Energieeffizienzexpert:innen und Förderspezialist:innen Tag für Tag hart daran, energetische Sanierungen tatsächlich in die Tat umzusetzen. Doch wir als Unternehmer:innen im Proptech-Bereich haben gleichzeitig die Chance und Aufgabe, diesen Wandel auf Seiten der Nutzer:innen so einfach wie möglich zu gestalten. Nur so kann die nötige Akzeptanz geschaffen werden.


Wir von 42watt werden jedenfalls alles daran setzen, mit unserer Plattform aus Nutzersicht zumindest in die Nähe des Netflix-Erlebnisses zu kommen.

0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page