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Warum KI in der deutschen Energiewende künftig unverzichtbar wird


Die nächste Phase der Energiewende: Komplexer als gedacht


Die Energiewende ist eines der größten gesellschaftlichen und technologischen Projekte der Bundesrepublik Deutschland. Gemeint ist damit der umfassende Umbau der Energieversorgung: Weg von fossilen Energieträgern wie Kohle, Öl und Gas – hin zu erneuerbaren Energien wie Windkraft, Solarenergie, Biomasse und Wasserkraft. Gleichzeitig soll der Energieverbrauch reduziert und effizienter gestaltet werden. Das Ziel: eine nachhaltige, klimafreundliche und sichere Energiezukunft.


Was nach einem klaren Plan klingt, bringt in der Praxis erhebliche Herausforderungen mit sich. Anders als bei einem Kohlekraftwerk, das gleichmäßig Energie produziert, liefern Sonne und Wind unregelmäßige und schwer vorhersehbare Mengen an Strom. Die Einspeisung ins Netz ist volatil. Hinzu kommt: Die Energieerzeugung wird zunehmend dezentral – statt einiger großer Kraftwerke gibt es Tausende Solaranlagen auf Hausdächern und Windräder auf Feldern.


Das Stromnetz muss also intelligenter und flexibler werden. Ohne Echtzeit-Analysen, schnelle Reaktionen und komplexe Entscheidungsprozesse lässt sich das nicht mehr manuell bewältigen. Hier kommt Künstliche Intelligenz (KI) ins Spiel – als potenzieller Schlüssel für die nächste Phase der Energiewende.


Was Künstliche Intelligenz in der Energiewende bedeutet

Künstliche Intelligenz beschreibt Computersysteme, die aus großen Datenmengen lernen, Muster erkennen und eigenständig Entscheidungen treffen oder vorschlagen können. Es geht nicht um Science-Fiction-Roboter, sondern um sehr praktische Anwendungen, etwa in der Datenanalyse, der Steuerung von Energieflüssen oder der Wartung technischer Anlagen.

In der Energiewirtschaft bedeutet das konkret:


  • Erzeugung besser vorhersagen: KI kann Wetterdaten, historische Ertragswerte und Netzlasten auswerten, um zu berechnen, wie viel Strom Solaranlagen oder Windräder voraussichtlich liefern werden – auf die Stunde genau.


  • Verbrauch analysieren: Welche Geräte brauchen wann wie viel Strom? KI kann Muster erkennen, z. B. typische Lastspitzen in Wohnsiedlungen oder Industrieparks, und daraus Empfehlungen zur besseren Verteilung ableiten.


  • Systeme steuern: KI kann automatisch entscheiden, wann Strom gespeichert, eingespeist oder verbraucht werden sollte – oft schneller und genauer als Menschen.


Dadurch wird KI zu einem zentralen Werkzeug: Sie liefert nicht nur bessere Informationen, sondern hilft auch dabei, automatisiert die richtigen Entscheidungen zu treffen – was bei der zunehmenden Komplexität unerlässlich ist.


Konkrete Einsatzbereiche: Wo KI heute schon unterstützt

Netzstabilität und Lastprognosen mit KI


Eines der größten Probleme bei der Integration erneuerbarer Energien ist die Netzstabilität. Stromnetze müssen immer in Balance sein: Wird mehr Strom erzeugt als verbraucht, steigt die Netzfrequenz – wird zu wenig erzeugt, sinkt sie. Schon kleine Abweichungen können zu Schäden oder Blackouts führen.


Künstliche Intelligenz hilft hier auf mehreren Ebenen:


  • Vorhersage von Verbrauch: KI analysiert historische Verbrauchsmuster, Wetterdaten und soziale Faktoren (z. B. Feiertage, Homeoffice-Trends), um vorherzusagen, wie viel Strom wann benötigt wird.


  • Steuerung von Einspeisung: Netzbetreiber können über KI-gestützte Systeme gezielt Energiequellen zu- oder abschalten oder Speicher aktivieren, um Schwankungen auszugleichen.


Beispiel: Das Unternehmen Next Kraftwerke betreibt ein sogenanntes Virtuelles Kraftwerk, bei dem Hunderte dezentrale Erzeuger zusammengeschaltet und KI-gesteuert in Echtzeit ins Netz eingespeist werden.


Wartung und Betrieb von Erneuerbare-Energien-Anlagen


Windräder und Solaranlagen sind wartungsintensiv. Schäden an Rotorblättern oder defekte Solarmodule können die Effizienz stark beeinträchtigen – werden sie aber zu spät erkannt, entstehen hohe Kosten.


KI ermöglicht hier eine vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance). Sensoren liefern kontinuierlich Daten über Temperatur, Vibration, Stromertrag oder Luftfeuchtigkeit. KI analysiert diese Daten und erkennt Muster, die auf kommende Defekte hinweisen – bevor sie akut werden.


Ein Beispiel: Durch die Analyse von Schwingungen kann ein Algorithmus feststellen, ob sich ein Lagerschaden in einem Windrad anbahnt. Die Wartung kann dann gezielt und frühzeitig durchgeführt werden – das spart Zeit, Geld und verlängert die Lebensdauer der Anlage.


Intelligente Netze und Verbrauchssteuerung


Auch auf Verbrauchsseite bietet KI enorme Potenziale. In sogenannten Smart Grids können Haushalte, Gewerbebetriebe oder ganze Städte ihren Energieverbrauch flexibel an das aktuelle Angebot anpassen – automatisch gesteuert durch Algorithmen.


Das geschieht z. B. durch:


  • Dynamische Stromtarife: Wenn gerade viel Wind weht, wird Strom billiger – intelligente Systeme schalten dann automatisch Waschmaschinen oder Speicherheizungen ein.


  • Lastmanagement: In der Industrie können Maschinenlaufzeiten so gesteuert werden, dass Netzspitzen vermieden werden.


Hierbei hilft KI, den Überblick über Millionen Datenpunkte zu behalten, Muster zu erkennen und in Sekundenbruchteilen passende Entscheidungen zu treffen.


Virtuelle Kraftwerke als digital gesteuerte Energiepools


Virtuelle Kraftwerke vernetzen viele kleine dezentrale Stromerzeuger – Photovoltaikanlagen, Biogasanlagen, Windparks – und bündeln sie zu einem gemeinsamen Akteur am Energiemarkt. Gesteuert werden sie durch zentrale, oft KI-gestützte Plattformen.

Diese Systeme entscheiden:


  • Wann wird wie viel eingespeist?

  • Welche Anlage springt ein, wenn eine andere ausfällt?

  • Wie lässt sich Strom am gewinnbringendsten vermarkten?


KI sorgt dafür, dass das System robust, effizient und flexibel funktioniert – und damit zum Rückgrat einer modernen Energieversorgung wird.


Warum ohne KI die Energiewende an ihre Grenzen stößt


Ohne den Einsatz intelligenter Systeme wird es schwer, die Energiewende erfolgreich umzusetzen. Warum?


  1. Datenflut: Millionen Messpunkte, Einspeisewerte, Verbrauchsdaten – diese Datenmengen können Menschen allein nicht mehr in Echtzeit analysieren.

  2. Geschwindigkeit: Entscheidungen müssen oft innerhalb von Sekunden getroffen werden. KI kann Prozesse automatisieren, die manuell zu lange dauern würden.

  3. Komplexität: Je mehr Akteure (Haushalte, Solaranlagen, Speicher, Netze) beteiligt sind, desto mehr Variablen müssen berücksichtigt werden – ein idealer Anwendungsfall für Machine Learning.

  4. Optimierung: Nur durch kontinuierliches Lernen und Anpassen lassen sich Ineffizienzen beseitigen – KI-Systeme können hier selbstständig besser werden.


Herausforderungen und offene Fragen

Technologische Hürden


Die Einführung von KI in bestehende Energiesysteme erfordert Investitionen, Fachkräfte und Schnittstellen. Viele Unternehmen – insbesondere Stadtwerke oder kleinere Versorger – sind noch nicht ausreichend vorbereitet. Zudem fehlen standardisierte Plattformen und rechtliche Rahmenbedingungen.


Sicherheit und Nachvollziehbarkeit


Ein großes Thema ist die Transparenz von Algorithmen: Warum wurde eine Entscheidung getroffen? Wer haftet im Fehlerfall? Ebenso wichtig ist der Schutz vor Cyberangriffen, da Energieinfrastruktur als kritische Infrastruktur gilt.


Ethische und gesellschaftliche Aspekte


Wo KI Prozesse übernimmt, fallen oft menschliche Tätigkeiten weg – etwa in der Leitwarte oder beim Anlagenmonitoring. Gleichzeitig entstehen neue Berufe und Anforderungen. Die Gesellschaft muss sich mit dieser Transformation auseinandersetzen: Wie viel Autonomie geben wir Maschinen? Welche Regeln gelten für Entscheidungen, die Millionen Menschen betreffen?


Fazit: Die Energiewende braucht digitale Intelligenz


Künstliche Intelligenz ist kein Allheilmittel – aber ein unverzichtbares Werkzeug, um die Energiewende effizient, sicher und wirtschaftlich sinnvoll zu gestalten. Sie hilft dabei, Stromnetze stabil zu halten, Ressourcen besser zu nutzen, Anlagen zu warten und neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen.


Wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen will, braucht es nicht nur Windräder und Solarmodule – sondern auch kluge Algorithmen, Datenzugang und eine vorausschauende Digitalstrategie.


Jetzt ist die Zeit, diese digitale Dimension der Energiewende aktiv zu gestalten.

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