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Was steckt hinter der Initiative zur Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe?


Die Triodos Bank ist stolz darauf, sich der globalen Kampagne für einen Vertrag zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen anzuschließen. Sie ist die erste Bank, die dies tut.


Die "Fossil Fuel Non-Proliferation Treaty" (Vertrag über die Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe) möchte die Zusammenarbeit zwischen Ländern fördern, um für alle den Übergang zu sauberer Energie zu beschleunigen. Ziel ist es, die Förderung von Öl, Gas und Kohle zu stoppen und die bestehende Produktion was entsprechend wissenschaftlichen Erkenntnisse erforderlich ist um die Klimakrise zu bekämpfen.


Im Interview erklärt Tzeporah Berman, Umweltaktivistin und Vorsitzende des Fossil Fuel Non-Proliferation Treaty, warum dieser Vertrag ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem gesunden und prosperierenden Planeten für alle ist.


Triodos Redaktion: Warum hast du diese Initiative ins Leben gerufen?


Tzeporah Berman: Ich befasse mich seit über 30 Jahren mit Umwelt- und Klimathemen. Ich habe mich entschlossen, die Initiative für den Vertrag zur Nichtweiterverbreitung fossiler Brennstoffe ins Leben zu rufen infolge meiner eigenen Erfahrungen als Beraterin für die kanadische Regierung . Obwohl diese daran arbeitete, die Kohlenstoffverschmutzung zu reduzieren und einen Klimaplan zu erstellen, wurden weiterhin neue Lizenzen für Ölbohrungen und Fracking von Gas genehmigt. Sie fühlten sich einfach nicht dafür verantwortlich, die Produktion zu reduzieren, sondern beschränkten sich auf die Emissionen.

Es wurde mir auch klar, dass es für ein Land schwierig ist, alleine zu handeln. Jedes Land weiß, dass wir die Expansion stoppen und fossile Brennstoffe abbauen müssen, um ein sicheres Klima zu gewährleisten, aber jedes Land will das letzte Fass verkaufen. Ich versuchte zu begreifen, wie man global zusammenarbeiten könnte, um dieses Problem zu lösen. Leider stellte ich fest, dass das Pariser Abkommen weder "fossile Brennstoffe" noch die Worte "Öl", "Gas" oder "Kohle" erwähnt. Dabei sind fossile Brennstoffe für 86% der Kohlenstoffemissionen im letzten Jahrzehnt verantwortlich. Sie sind eine Bedrohung für unser Klima, aber auch für die Weltwirtschaft, die Gesundheit, den Frieden und alle Menschenrechte!



Das Pariser Abkommen legt mit seinem Temperaturziel den Maßstab für globale Klimaschutzmaßnahmen fest. Allerdings werden dabei nur die Hälfte der notwendigen Maßnahmen berücksichtigt. Dadurch können Länder und Unternehmen weiterhin neue Projekte zur Förderung fossiler Brennstoffe unterstützen, während sie ihre Vorreiterrolle im Klimaschutz betonen. Letzte Woche hat der UNEP Production Gap 2023 bestätigt, dass Pläne zur Förderung fossiler Brennstoffe die Chancen der Welt, unsere globalen Klimaziele zu erreichen, tatsächlich untergraben. Der Bericht zeigt, dass Regierungen trotz ihrer Klimazusagen immer noch planen, im Jahr 2030 rund 110% mehr fossile Brennstoffe zu fördern, als mit einer Begrenzung der Erwärmung auf 1,5°C vereinbar wäre.


Basierend auf diesen Tatsachen sowie bewährten Praktiken früherer Vertragsschlüsse und bestehender Kämpfe, die von Gemeinschaften an vorderster Front geführt werden, wurde die Fossil Fuel Non-Proliferation Treaty-Initiative im Jahr 2019 ins Leben gerufen.

Heute wird sie von einem breit gefächterten Leitungsausschuss und einem internationalen Support-Team getragen und von einem großen und diversen zivilem Netzwerk unterstützt.


Warum ist er wichtig?


Erstens ist der Vorschlag für einen Vertrag über fossile Brennstoffe wichtig, weil er eine Antwort auf die große und dringende Herausforderung der Klimakrise darstellt. Er beginnt an der Wurzel des Problems, das seit Jahrzehnten von der Wissenschaft angeprangert wird - der Förderung von Öl, Gas und Kohle. Das UNEP (United Nations Environment Programme), der IPCC-Bericht und auch die IEA (International Energy Agency), die in Energiefragen eher konservative Positionen vertrieten, sind sich einig: die gegenwärtige Produktion fossiler Brennstoffe steht im Widerspruch zur Zukunft der Menschheit. Letzten Monat hat der World Energy Outlook 2023 bestätigt, dass die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen weltweit früher als erwartet und aufgrund des makroökonomischen Kontexts rückläufig sein wird. Folglich ist der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen unvermeidlich, um sowohl ein klimatisches als auch ein wirtschaftliches Chaos zu vermeiden.


Die Initiative "Fossil Fuel Non-Proliferation Treaty" hat einen Plan für einen geordneten und gerechten Ausstieg entwickelt, welcher auf internationaler Zusammenarbeit und drei wesentlichen Grundsätzen basiert:


  • Nichtverbreitung: Keine Ausbreitung neuer Kohle-, Öl- und Gasfelder.

  • Fairer Ausstieg: Beendigung der bestehenden Produktion im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel.

  • Gerechter Übergang: Unterstützung und Finanzierung einer weltweiten Umstellung auf Erneuerbare Energien, bei der niemand zurück bleibt.


Um unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern, benötigen wir internationale Kooperationsvereinbarungen, die Entwicklungspfade unterstützen, welche nicht auf der Förderung, Ausgrenzung und Ausbeutung fossiler Brennstoffe durch reiche Länder basieren, die ihren wirtschaftlichen und politischen Einfluss aufrechterhalten wollen. Die wohlhabenden Länder, die zur Klimakrise beigetragen haben, müssen als Erste umsteigen. Sie sollten außerdem Volkswirtschaften unterstützen, die von fossilen Brennstoffen abhängig sind und nicht so schnell umsteigen können.

Der Vertrag könnte den fehlenden rechtlichen Rahmen schaffen, um nachhaltige wirtschaftliche Möglichkeiten zu fördern, vor allem in den am stärksten betroffenen und am wenigsten verantwortlichen Ländern und Gemeinden. Dies ist ein grundlegender erster Schritt, um den Zugang zu Menschenrechten und das Überleben zu sichern!


Warum ist es für den Finanzsektor wichtig, sich der Initiative anzuschließen?


Jede Branche, auch der Finanzsektor, ist auf ein stabiles Klima angewiesen. Aber gerade der Finanzsektor spielt eine entscheidende Rolle, um einen sicheren und gerechten Übergang weg von fossilen Brennstoffen zu gewährleisten. Heute fließt immer noch zu viel Geld in den weiteren Ausbau der fossilen Energien. Dies fördert und ermöglicht die weitere Zerstörung der Natur.


Ein Vertrag über fossile Brennstoffe wird eine wichtige Rolle dabei spielen, die Richtung für den Finanzsektor vorzugeben, Hindernisse für die Umstellung von Geschäftsmodellen zu beseitigen und gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Es wird zur Schaffung einer politischen Umgebung beitragen, die neue Finanzmodelle fördert, welche sich von fossilen Brennstoffen weg und hin zu erneuerbaren Energien und einer breiteren Diversifizierung bewegen.


Obwohl sich die Anzahl der verbindlichen Vereinbarungen von Unternehmen in diesem Bereich erhöht, steht ihre Glaubwürdigkeit immer stärker in Frage. Bislang haben sie nur begrenzte Erfolge bei der Reduzierung absoluter Emissionen erzielt, sind zu stark von unzuverlässigen Technologien abhängig und haben die Ursachen der Klimakrise nicht angegangen.


Wir begrüßen die Unterstützung der Triodos Bank, die sich als erste Bank für den Vertrag über die Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe einsetzt. Das zeigt, welche wichtige Rolle Finanzinstitute dabei haben können, die gefährliche Produktion fossiler Brennstoffe zu unterbinden und stattdessen saubere und gerechtere Energiequellen zu fördern.


Warum engagiert sich die Triodos Bank?


Wer unterstützt die Kampagne noch?


Die Kampagne für einen Vertrag über fossile Brennstoffe wurde erst vor drei Jahren ins Leben gerufen, und wir erhalten immer mehr Unterstützung von einer Vielzahl von Akteuren.

Das globale Netzwerk, das hinter der Kampagne steht, umfasst inzwischen 2.000 zivilgesellschaftliche Organisationen, mehr als 3.000 Wissenschaftler und Akademiker, 101 Nobelpreisträger, die Weltgesundheitsorganisation und Hunderte von Gesundheitsexperten, einen Kardinal aus dem Vatikan und Tausende religiöser Institutionen, eine wachsende Zahl indigener Organisationen und Jugendaktivisten, 100 Städten wie L.A, Kalkutta, Lima, Vancouver und Sydney, sowie einer Reihe von Großstädten in Europa, darunter London, Warschau, Amsterdam, Barcelona und Paris, mehr als 600 Parlamentariern aus aller Welt und dem Europäischen Parlament sowie einer wachsenden Zahl von Unternehmen.


Ende 2022 wurde die Unterstützung für die Initiative auf der internationalen politischen Bühne sichtbar: Zwei Nationalstaaten forderten offiziell die Ausarbeitung eines Vertrags über fossile Brennstoffe: Vanuatu und Tuvalu, denen sich in diesem Jahr sechs weitere Länder anschlossen. Damit unterstützen nun acht Staaten aus dem Pazifik, der Karibik und Südasien die Forderung nach einem Vertrag.


Was sind deine Erwartungen für die COP28?


Es laufen Gespräche mit anderen Regierungen und wir hoffen, dass sich einige von ihnen auf der COP28 oder Anfang 2024 anschließen werden.

Wie ich bereits erwähnt habe, ist sich die Wissenschafteinig, dass wir unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen dringend beenden müssen. Öl, Gas und Kohle zerstören ganze Landstriche und Kulturen, verursachen tödliche Konflikte und gefährden den Zugang zu allen Menschenrechten: Nahrung, Wasser, Gesundheit, Bildung, Beschäftigung, Biodiversität und Frieden.


Was wir jetzt auf der COP28 und in den internationalen Klimainstitutionen im weiteren Sinne brauchen, ist der politische Wille der Entscheidungsträger:innen. Es ist ein Irrglaube, dass der Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe nicht machbar ist, weil die finanziellen oder technischen Mittel fehlen. Wir haben genug Geld und genug Potenzial für erneuerbare Energien in jeder Region der Welt, um einen gerechten Übergang zu einer Welt ohne fossile Brennstoffe zu gewährleisten.


Was wir nicht haben, sind genug Taten und den Mut unserer politischen Führer:innen, sich der fossilen Brennstoffindustrie entgegenzustellen und sich zu verpflichten, ihre Expansion zu stoppen und einen Plan für einen gerechten Ausstieg zu entwickeln, der niemanden zurücklässt.


Welche nächsten Schritte würdest du gerne sehen?


Unsere Priorität ist es jetzt, eine Gruppe von Kernländern zu bilden, die ein Verhandlungsmandat für einen Vertrag über fossile Brennstoffe initiieren können. Die Verhandlungsprozesse für andere Verträge, die sich mit globalen Bedrohungen der Menschheit befassen, haben unterschiedliche rechtliche Wege eingeschlagen, die über eine Resolution der UN-Generalversammlung, die UN-Umweltversammlung oder einen unabhängigen Prozess außerhalb des UN-Systems führen können.


Wie dieser zweite Schritt aussehen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch offen, sicher ist aber, dass der Druck auf die Regierungen, echte Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen, aufrechterhalten werden muss. Auch die Finanzakteure müssen mit an Bord kommen, damit dieser dringend benötigte gerechte Übergang Wirklichkeit wird.


Das Zeitalter der fossilen Brennstoffe geht zu Ende. Die Finanzinstitutionen müssen sich ihrer Rolle bei der Bewältigung der Klimakrise bewusst werden und ihre Investitionen und sonstigen Aktivitäten nutzen, um einen gerechten, raschen und finanzierten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und die dafür erforderlichen ehrgeizigen Maßnahmen zu unterstützen.

Durch die Unterstützung des Vertrags können Unternehmen eine wichtige Rolle bei der Sicherung des internationalen und interessenübergreifenden Ansatzes spielen, der notwendig ist, um den Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe zu erreichen und eine sichere Zukunft für alle zu gewährleisten.


Wir rufen andere Unternehmen dazu auf, sich uns anzuschließen und den Vertrag durch ihr Handeln und ihre Fürsprache zu unterstützen, damit wir gemeinsam eine Zukunft ohne fossile Brennstoffe aufbauen können.

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