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AutorenbildThomas Gawlitta

Marktanalyse ESG-Berichterstattung

Aktualisiert: 30. Juli 2023


Die neue EU-Richtlinie Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die im November 2022 beschlossen wurde und deren Regularien ab dem 01.01.2024 in Kraft treten, weitet die ESG-Berichterstattungspflicht aus und ersetzt breitflächig das seit 2017 geltende Non-financial Reporting Directive (NFRT). Vielen Unternehmen bleiben weniger als sechs Monate Zeit, um sich auf die neuen Standards einzustellen, andere, vor allem Klein- und mittelständige Unternehmen (KMUs) veröffentlichten bereits 2022 ESG-Berichte. Der Markt ist dynamisch und durchlebt schon in diesen Tagen große Veränderungen. Wir werfen deshalb einen analytischen Blick auf die ESG-Prozesse und die Marktteilnehmenden, die sich ihnen angenommen haben, oder das in Zukunft tun werden.


Von NFRD zu CSRD: deutlich mehr Unternehmen müssen schon 2025 berichten


Nachhaltigkeit in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance ist nicht erst seit 2022 ein wichtiges Thema europäischer Unternehmenskultur. Bereits im Jahr 2017 hat die EU das NFRT verabschiedet, das Unternehmen verpflichtet, über diese Bereiche in ihrem Unternehmen Auskunft zu geben. Das NFRT, das bis heute europäischer Goldstandard in Bezug auf Nachhaltigkeitsberichterstattung ist, hat sich allerdings nur auf „Unternehmen von öffentlichem Interesse“ konzentriert, wie es die EU Kommission schreibt. Darunter fallen börsennotierte Unternehmen, Banken, und Versicherungsgesellschaften. Insgesamt 11.600 Stück in Europa. Ab dem 01.01.2025 wird sich das ändern. Öffentliches Interesse fällt als Abgrenzungsfaktor weg, dafür zählen jetzt Anzahl der Mitarbeitenden, Umsatz, und vorhandenes Kapital. Auch jene großen Unternehmen, die nicht unter die NFRD fallen, aber zwei der folgenden drei Kriterien erfüllen: 1. Mindestens 250 Beschäftigte, 2. Mindestens 40 Millionen Euro Umsatz pro Jahr, 3. Ein Mindestkapital von 20 Millionen Euro, müssen für das Geschäftsjahr 2025 einen ESG-Bericht in den Lagebericht ihres Unternehmens integrieren. Für mehr als 50.000 europäische Unternehmen trifft das zu.

Ab 2026 sind dann auch alle KMUs zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet, die mehr als zehn Mitarbeitende haben und entweder einen Mindestumsatz von 700.000 Euro im Jahr oder eine Bilanzsumme von mehr als 350.000 Euro. 99,8 Prozent der europäischen Unternehmen sind KMUs, insgesamt 23 Millionen Stück. Sie gelten als Treiber für internationalen Wettbewerb und Innovation. Ein Großteil dieser Unternehmen wird von der neuen CSRD-Richtlinie betroffen, und demnach ab 2026 zur Berichterstattung verpflichtet sein. Das bedeutet einen Wandel in der Unternehmenskultur, und auch eine Notwendigkeit nach Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit, denn, so idealistisch die ESG-Ziele gedacht sind, so komplex gestalten sich ihre Umsetzung und Messung.


Keine einheitlichen Standards: regulatorischer Druck wächst

„2022 war ein Jahr, in dem die Bedeutung von ESG-Themen dramatisch zugenommen hat. Umwelt und Sozialkrisen füllen täglich die Nachrichten, und die Unternehmen müssen klar kommunizieren, was sie tun, und wie sie ihre Bemühungen steuern“, sagt Michael Diegemann, Mitbegründer des Global ESG Monitor (GEM) in einem Interview mit dem online Magazin Anleger Plus. Obwohl immer mehr Unternehmen über interne Nachhaltigkeit berichteten, seien die Berichte oft unzureichend. Eine Erklärung dafür gibt er nicht. Wir von Impact Insider erklären uns dieses Ungenügen durch fehlende Standards und dringend notwendige Einheitlichkeit.

Insgesamt gibt es 13 europäische Nachhaltigkeitsberichterstattungs-Standards (ESRS), die alle drei ESG-Säulen abdecken. Wie genau diese Standards aber auf das eigene Unternehmen angewendet werden können, bleibt oft unklar. Bislang galt die Global Reporting Initiative (GRI) für europäische Nachhaltigkeitsberichterstattung als Standardorientierung. 85% der DAX-Unternehmen haben im Jahr 2020 die GRI für ihre NFRD-Berichte genutzt. Aber auch hier lässt sich ein Wandel beobachten. In den vergangenen beiden Jahren wurde auch das Sustainability Accounting Standards Board (SASB) vermehrt genutzt. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz beobachtet den Trend der Multiplizierung der Verfahren mit Besorgnis. In einer vom Ministerium herausgegebenen Studie aus dem Winter 2022 gaben 34% der Finanzvorstände an, dass sie die Existenz mehrerer Berichterstattungsstandards als verwirrend wahrnähmen. Auch das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung und der Verein future e.V. schreiben in ihrer Studie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Großunternehmen aus dem Jahr 2021: „Unternehmen können mit den gestiegenen Anforderungen nicht mithalten“. Vor dem Hintergrund, dass Tausende Großunternehmen und Millionen KMUs in den kommenden Jahren ESG-Berichte vorlegen werden müssen, ist das ein ernstzunehmendes Problem.

Neue Märkte und Dienstleistungen entstehen

In unserem Wirtschaftssystem ist jedes Problem eine potenzielle Geldquelle, die sich besonders lukrativ gestaltet, wenn viele Menschen das gleiche Problem haben. Unzählige Beratungsagenturen und selbsternannte ESG-Expert*innen haben sich deshalb der fehlenden Standardisierung angenommen und bieten Unternehmen ihre Hilfe bei der Berichterstattung an. Das mag für den Anfang wertvoll sein, sollte aber mit Vorsicht genutzt werden.

Dass ESG-Berichterstattung so kompliziert nicht ist, wie sie von einigen Beratungsfirmen gerne dargestellt wird, zeigt zum Beispiel das deutsche Unternehmen Assmann, das Möbel und Inneneinrichtung verkauft. Es wurde 2022 bei der „Next Generation CSR-Reporting“ Konferenz für den besten Nachhaltigkeitsbericht ausgezeichnet. Assmann ist eines von vielen KMUs, das bereits vor der Verpflichtung über interne Nachhaltigkeit berichtet. Weil es langfristig zum Erfolg führt, Ressourcen, Menschen und Umwelt zu schützen und weil „jeder Einzelne von uns mit seiner Haltung darüber [entscheidet], ob es gelingen wird, Umwelt und Klima nachhaltig zu schützen und unsere Zukunft gemeinsam positiv zu gestalten“, wie das Unternehmen schreibt.


Die ESG-Berichterstattungspflicht wird die europäische Unternehmenskultur in den kommenden fünf Jahren stark verändern. Wer sich anpasst, oder gar mit einem positiven Beispiel vorausgeht, der kann bestehen und sich weiterentwickeln. Alle anderen Unternehmen werden es sehr schwer haben.


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