Dr. Robby Fichte, Equity Partner, FPS Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB
Im Metaverse sollen durch fortgeschrittene Grafiktechnologien neue virtuelle Welten erlebbar gemacht (virtual reality) bzw. die Realität digital erweitert werden (augmented reality). Nach Vorstellung der großen Tech-Unternehmen werden die User im Metaverse in Gestalt von Avataren viel Zeit verbringen, dort arbeiten, Freunde treffen, Spiele spielen und natürlich die für all diese Aktivitäten notwendigen virtuellen Produkte kaufen.
Dazu bedarf es virtueller Plätze und Räume. Das Metaverse soll ein (besseres) Abbild der realen Welt werden. Dementsprechend gibt es dort virtuelle Grundstücke mit unterschiedlichen Zweckbestimmungen. Schon jetzt existieren Geschäfte, Veranstaltungsräume oder Kulturzentren. Der englische Fußballverein Manchester City möchte gar sein ganzes Stadion ins Metaverse bringen.
Grundstücke und Gebäude im Metaverse unterscheiden sich von solchen in klassischen Computerspielen in wesentlichen Hinsichten. Computerspiele, mögen es auch Onlinespiele mit gewaltigen Spielwelten sein, sind in sich abgeschlossene Systeme, die von einem Unternehmen zum Zwecke des Spielens betrieben werden. Ein Austausch mit anderen Spielen ist ebenso wenig möglich, wie die manipulationssichere Zuordnung von virtuellen Objekten zu einer Person. Im Metaverse soll das anders sein. Die manipulationssichere Zuordnung von virtuellen Objekten kann mittels der Blockchain-Technologie in Form sog. NFTs (Non-Fungible Tokens) erfolgen. Die Benutzer sollen sich frei zwischen den einzelnen virtuellen Welten mit ihren virtuellen Objekten bewegen können (Interoperabilität). Das Angebot an virtuellen Grundstücken ist durch Einbindung der Blockchain-Technologie grundsätzlich begrenzt.
Virtuelle Grundstücke und die auf ihnen „errichteten“ Gebäude gewinnen auf diese Weise eine der realen Welt vergleichbare Einzigartigkeit, so dass auch im Metaverse die Lage eine wertbestimmende Bedeutung gewinnen kann. Diejenigen Orte, die User bevorzugt aufsuchen, werden diejenigen sein, in denen andere bevorzugt ihre virtuellen Güter und Dienstleistungen anbieten wollen. Gehört ihnen das virtuelle Grundstück oder Gebäude nicht selbst, werden sie es (teilweise) mieten (müssen).
Kaufpreis- oder Mietzahlungen mögen dabei zwar digital jedoch mit realem Geld erfolgen.
Ebenso richten sich die rechtlichen Beziehungen zwischen den beteiligten Usern nicht nach einem jenseits von Nutzungsbedingungen nicht existenten Metaverserecht, sondern nach dem in der realen Welt geltenden Recht. Es darf auch mit Fug und Recht bezweifelt werden, dass Metaversebetreiber ein eigenes Metaversekauf- oder -mietrecht mit realweltlicher Geltungskraft schaffen könnten.
Damit ist freilich nicht die bislang als offen zu bezeichnende Frage geklärt, welches realweltliche Recht auf Grundstückskäufe oder Mietverträge im Metaverse Anwendung findet. Ist es das Recht des (US-Bundes-) Staates, in dem der jeweilige Metaversebetreiber seinen Sitz hat? Ist es das Recht, in dem die am jeweiligen Rechtsgeschäft Beteiligten ihren (Wohn-) Sitz haben, mit allen damit verbundenen Schwierigkeiten bei Sitzen in verschiedenen Jurisdiktionen? Namentlich wenn Verbraucher im Sinne des europäischen und deutschen Rechts beteiligt sind, scheint die Verweisung auf das Recht und die Gerichtsbarkeit eines anderen Nicht-EU-Staates aus europäischer Perspektive nur schwer vorstellbar.
Sofern deutsches Recht zur Anwendung kommen sollte, lässt sich der Kauf eines Metaversegrundstücks, also eines NFTs, relativ unproblematisch als Rechtskauf einordnen.
Die Vermietung virtueller Räume grundsätzlich nach den Regeln des klassischen Mietrechts in §§ 535 ff. BGB zu beurteilen, liegt nahe. Indes ist gesetzlicher Gegenstand eines Mietvertrags die entgeltliche Gebrauchsüberlassung einer Sache. Sachen sind nach gesetzlicher Definition jedoch nur körperliche, d. h. in der physischen Welt existierende Gegenstände.
Virtuelle Mieträume existieren rein digital, lassen sich aber mittels Technologie (z. B. VR-Brillen, Haptik-Simulatoren) besuchen und erleben. Insofern könnte man von einer digitalen Körperlichkeit sprechen, die dem geltenden Recht jedoch bisher fremd ist.
Denkbar ist aber eine analoge, also entsprechende Anwendung des Mietrechts, aufgrund einer vergleichbaren Sach- und Interessenlage. Eine analoge Rechtsanwendung setzt jedoch eine unbeabsichtigte Gesetzeslücke voraus. Eine solche Lücke dürfte der deutsche Gesetzgeber allerdings Anfang 2022 mit Einführung des § 548a BGB im Zuge der Umsetzung der Digitale Inhalte Richtlinie bereits geschlossen haben.
§ 548a BGB lautet: „Die Vorschriften über die Miete von Sachen sind auf die Miete digitaler Produkte entsprechend anzuwenden.“
Mieträume im Metaverse müssten also als „digitale Produkte“ im Sinne des § 548a BGB sein. Ausweislich der Gesetzesbegründung hatte der deutsche Gesetzgeber konkret wohl anderes im Blick. Jedoch versteht er digitale Produkte im Sinne des § 548a BGB als Sammelbegriff für die bewusst entwicklungsoffenen Begriffe „digitale Inhalte“ und „digitale Dienstleistungen“. Damit soll sichergestellt werden, dass auch in Zukunft alle Fälle, die „digitale Dienstleistungen“ oder „digitale Inhalte“ sind, auch durch § 548a BGB erfasst werden.
Unserer Auffassung nach spricht deshalb viel dafür, Mieträume im Metaverse als digitales Produkt im Sinne des § 548a BGB zu verstehen. Die Anwendbarkeit des klassischen Mietrechts auf Mietverträge über solche virtuellen Mietsachen folgt dementsprechend aus § 548a BGB.
Entsprechende Anwendung, wie sie § 548a BGB anordnet, bedeutet freilich keine 1:1 Übernahme des klassischen Mietrechts. Etwa bei den vielfach an sozialen Belangen ausgerichteten Regelungen des Wohnraummietrechts dürfte dies offenkundig sein. Aber auch die Regelungen des Gewerberaummietrechts dürften noch der Modifikation bedürfen, wenngleich in geringerem Ausmaß.
Ob es freilich eine Rechtspraxis, geschweige denn eine Rechtsprechung geben wird, welche weitere Klarheit bringt, wird wesentlich davon abhängen, ob und wann das Metaverse diejenigen Hoffnungen erfüllt, die insbesondere große Tech-Unternehmen darauf setzen, oder ob es nur ein vorübergehender Hype sein wird.
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